Lebenslanges Lernen I: Arbeit und Lernen gehören zusammen

Lebenslanges Lernen ist eine große Herausforderung unserer heutigen Zeit. Die Welt dreht sich so schnell, dass wir mit dem erlernten Wissen unserer Ausbildung nicht weit kommen. Schon wenige Jahre später verlangt nahezu jeder Beruf neues Wissen, das während des Studiums noch nicht verfügbar war.


Was also tun in dieser  schnelllebigen Welt, um die Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten? Was macht es so schwer ein Leben lang zu lernen? Für Kinder scheint es (zumindest außerhalb der Schule) kaum etwas Aufregenderes zu geben, als neue Dinge zu lernen. Als Erwachsene behalten nur noch wenige von uns die erforderlich Neugierde und auch den Biss, sich mit neuen Themen und Technologien auseinanderzusetzen. Warum?

 

Klassische Schulungen

Der klassische Ansatz Mitarbeiter auf Schulungen zu schicken, ist für bestimmte Zielsetzungen natürlich nach wie vor sehr hilfreich. Allerdings können Schulungen nicht das Problem des lebenslangen Lernens lösen. Sie können Anstöße geben, Veränderung initiieren, motivieren und auch in gewissem Maße eine Wissensbasis schaffen. Viel zu viele Schulungstage würden jedoch benötigt, wenn jede technologische Veränderung oder jeder Lernbedarf mit einer Schulung einhergehen würde.

Digitalisierte Lernabgebote

Digitalisierte Lernangebote sind ebenfalls hilfreich und können gerade die Initialzündung von Schulungen unterstützen. Sie eignen sich teilweise auch, um klar definierte Wissensgebiete zu vermitteln.  Aber sie werden ebenfalls nicht die Lösung des eigentlichen Problems sein. Sie können immer nur voderfiniertes Wissen vermitteln und sind ebenfalls zeitlich viel zu begrenzt und ineffektiv, da sie es nicht vermögen Lernen mit Arbeiten zu verbinden.

Erste Lösungsansätze

Genau das ist aber die Lösung des Problems: Lernen und Arbeiten dürfen nicht getrennt werden. Sie gehören zusammen und müssen Hand in Hand gehen. Wir müssen beim Arbeiten lernen und verstehen, dass Lernen auch Arbeit ist. Wie kann das Aussehen? Es ist nicht so, dass es in der Vergangenheit keine Systeme gegeben hätte, die lebenslanges Lernen ermöglichten bzw. erforderlich machten.  In meiner Karriere habe ich Linienorganisationen mit klassischen Weiterbildungssystemen erfolgreich vermieden, stattdessen konnte ich, wie ich rückblickend feststelle, verschiedene selbstlernende Systeme ausprobieren, die alle Hinweise darauf geben, wie genau die Lösung aussehen könnte.

Lernen von Universitäten…

Meine erste Karriere war an der Universität als Assistentin und Doktorandin und später als Postdoc.  Kein Mensch kommt auf auf die Idee, einen Doktoranden auf eine Schulung zu schicken. Vorlesungen gibt es nach dem Diplom oder Master nicht mehr. Stattdessen wird Lernen jetzt forschen genannt. Per Definition ist Arbeitszeit automatisch Lernzeit. Natürlich gibt es auch hier reichlich Themen, die man lernen muss, die nicht das Forschungsthema betreffen. Neue Technologien muss man genauso handhaben können, wie jeder andere Berufstätige.

Doch wie lernen Doktoranden oder Postdocs all diese Dinge? Ganz einfach:  Diese Personengruppe hat die innere Haltung, dass Lernen ihr Job ist. Also finden sich Wege und Mittel, sich alle relevanten Kenntnisse anzueignen. Zunächst fängt das mit der Bereitschaft und der akzeptierten Notwendigkeit an, sich in Themen eigenständig einzuarbeiten. Hinzu kommt der Austausch mit  Kollegen und die relativ hohe Bereitschaft  untereinander zu helfen und zu unterstützen. Austausch und Diskussion ist das Erfolgsrezept, ohne Wertung, ohne Konsequenzen. Viele Unternehmen würden es als Fehlerkultur bezeichnen. Meiner Ansicht nach ein irrsinniger Begriff. Vielmehr handelt es sich um eine Lernkultur, denn Lernen erfordert Fehler. Innere Haltung, Neugierde, gegenseitige Unterstützung sind hier die Elemente der Lernkultur.

Am Ende sei aber noch erwähnt, dass eine solche Lernkultur auch an Universitäten nicht selbstverständlich ist. Gerade die gegenseitige Unterstützung bricht manchmal im Wettbewerb um den Erfolg zusammen. Professoren verhalten sich zum Teil strak hierarchisch oder sehr politisch und verhindern so den Fluss von Wissen und  Lernengagement über das eigene Forschungsthema hinaus.

Lernen von Unternehmensberatungen…

Nach der Unikarriere arbeitete ich bei zwei verschiedenen Unternehmensberatungen. Beide haben formelle Schulungen abgehalten, die unglaublich motivierend waren. Sie haben einerseits unterstützt zu verstehen, wer man eigentlich selber ist. Andererseits wurde ein Überblick vermittelt, was wichtige Themen sind und wie gearbeitet wird. Beherrschte ich nach diesen Schulungen die jeweiligen Themen: Nein, aber ich wusste, wo ich fragen konnte und warum sie relevant waren.

Das eigentlich Lernen findet in den meisten Beratungen, während der Arbeit statt. Auch hier wird wie selbstverständlich, zumindest in den unteren Hierarchieebenen, Arbeiten mit Lernen gleichgesetzt. In meiner ersten Beratung habe ich ziemlich komplexe Excel-Modelle gebaut. Das war 1994, eine Excel-Schulung habe ich noch nie in meinem Leben bekommen. War es schwer, es sich selbst beizubringen? Nein, man muss nur Neugierde mitbringen, etwas Zeit investieren und hilfsbereite Kollegen haben, die einem weiterhelfen, wenn man steckenbleibt – und das ohne „How to…“ YouTube Videos.

Genau das gleiche Klima des kontinuierlichen Lernens habe ich auch ich in meiner zweiten Beratung kennengelernt. Lernen als Teil des Arbeitens war selbstverständlich, genauso wie die Unterstützung selbst von sehr senioren Kollegen, wenn erforderlich. Klar war aber auch, dass man seine erfahrenen Kollegen nicht mit Fragen belangte, die man relativ problemlos alleine im Vorfeld hätte recherchieren können. Wieder ist es die eigene Neugierde, die gegenseitige Unterstützung und der fundamentale Glaube, dass man beim Arbeiten lernt. Das führte dazu, dass gezielt Lernopportunitäten bei der Arbeit geschaffen wurden.

Auch hier muss ich noch eine Einschränkung hinzufügen. Mir begegnen viele verschiedene Beratungen in meinem Beruf und ich musste lernen, dass es erschreckend viele nicht schaffen, eine entsprechende Lernkultur, wie ich sie kennengelernt habe, zu etablieren. Woran scheitert es? An zu viel Hierarchie, zu viel Politik, zu wenig Autonomie und keine überzeugende Teamkultur.

Lernen von der Selbständigkeit…

Mein dritter Karriereschritt war dann die Selbständigkeit. Die Selbständigkeit habe ich auf dem Reißbrett entworfen: Was macht mir Spaß und was ist vereinbar mit dem Lebensstil, den ich haben wollte? Zwar hatte ich bereits ein paar Erfahrungen im Bereiche Training und Coaching im Job sammeln können, aber faktisch fehlte mir so Einiges an Wissen. Wie habe ich das Wissen aufgebaut? Ja, ich habe auch einige sehr gezielte Schulungen gemacht. Aber vor allem habe ich mir eine Situation schaffen können, wo ich von erfahrenen Kollegen lernen konnte. Ich konnte zuschauen, fragen, diskutieren, üben. Das ganze wurde ergänzt von einer großen Neugierde, die mich bis heute viele Bücher lesen und inzwischen auch Videos schauen lässt. Zugegebenermaßen habe ich die ersten 2 Jahre in diesem Job, relativ dicht an der Grenze zur Überforderung verbracht, wurde aber immer aufgefangen von wirklich hilfreichen Kollegen und konnte sogar den Grad der Herausforderung dosieren.

Langsam wird ein Muster erkennbar: Auch hier geht es wieder um Neugierde, die eigene Bereitschaft sich etwas anzueignen, die Unterstützung durch Kollegen und die Möglichkeit, dosiert Lernopportunitäten zu schaffen. Natürlich führt auch Selbständigkeit nicht automatisch zu kontinuierlichem Lernen. Es lässt sich allerdings schwerer verhindern, da der Erfolg Feedback gibt und man zum Lernen gezwungen wird.

Was erfordert also lebenslanges Lernen?

Alle drei Beispiele weisen in die gleiche Richtung, wie ein Umfeld aussieht, in dem selbstmotiviertes lebenslanges Lernen stattfindet, bei dem Arbeiten und Lernen nicht getrennt werden können.

  1. Mitarbeiter benötigen Neugierde und die Bereitschaft sich Wissen eigenständig anzueignen. Mir ist vollständig bewusst, dass dies keineswegs automatisch gegeben ist. In Teil 2 dieses Artikels schauen wir uns an, was Menschen daran hindert, diese Eigenschaften an den Tag zu legen, denn dazu geben verschiedene wissenschaftliche Forschungsergebnisse Auskunft.
  2. Die Organisation auf  der anderen Seite erfordert eine Kultur der gegenseitigen Unterstützung (über Hierarchien hinweg). Außerdem benötigt sie die Überzeugung das Arbeiten auch Lernen ist und umgekehrt. Und schließlich muß sie dosierte Lernopportunitäten ermöglichen, die nicht gleich fatal sind. Was die Barrieren sind, diese Elemente in einer Organisation zu etablieren, schauen wir uns ebenfalls in Teil 2 an.

Wie sieht es in Ihrer Organisation aus? Welche dieser Elemente sind vorhanden oder fehlen?

 

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